Nach dem wunderschönen Trip nach Kanada hatte ich gar nicht so wirklich Zeit die ganzen Erlebnisse zu verarbeiten, weil es direkt im Anschluss in Richtung der ehemaligen UDSSR ging. Insgesamt hatte ich drei Tage, um ein paar Waschmaschinen anzusetzen, kurz E-Mails auf Arbeit zu beantworten und Sachen zu packen, bevor wir uns auf den Weg nach Georgien machten. Jetzt wird der interessierte Leser wahrscheinlich denken – „Was? Georgien? Wie sind sie denn darauf gekommen?“. Das war nämlich im Vorfeld mit Abstand die häufigste Reaktion, wenn ich von meinen Urlaubsplänen berichtet habe. Um die Frage nochmal ganz kurz zu beantworten: Ina (von der PubQuiz Crew) war in ihrem Sabbatical unter anderem mit einer Reisegruppe in Usbekistan und Tajikistan und kam ganz begeistert von dieser Wanderreise zurück. Da Georgien ähnlich schön und touristisch besser erschlossen ist, haben wir mit Ina, Corinna und Philipp kurzerhand den Entschluss gefasst, uns das Ganze mal live vor Ort anzusehen. Da es bzgl. Georgien außerdem eine hervorragende Reise-Seite gibt (https://wander-lush.org/georgia-travel-guide/) konnten wir sehr gut vorbereitet in den Urlaub starten. Würde bspw. jedem empfehlen sich eine eSim zu holen – ist echt so viel angenehmer, wenn man vor Ort schnell mal ein Hotel buchen kann oder sich bei Google Maps anschaut, wo man hin muss ohne dafür zwangsläufig WLAN zu benötigen. Empfang ist eh überall besser, als in Deutschland 🙄
Unser erster Stopp führte uns zwangsläufig in die Hauptstadt Tbilisi, da die internationalen Flughäfen in Georgien ansonsten rar gesät sind. War aber auch gar nicht schlimm, da Tbilisi ohnehin wunderschön ist und gleichzeitig ebenfalls einen perfekten Ausgangspunkt für unsere weiteren Reiseziele darstellte. Der erste „Kulturschock“ kam dann direkt bei der Fahrt mit dem Bus in die Stadt. Dort konnte man nämlich einfach direkt mit dem Handy bezahlen… Kurz das Mobiltelefon an den dafür vorgesehenen Automaten halten und schwupp di wupp wurde der eine Euro für die Fahrt abgebucht. Waren komplett verwundert, dass wir kein Ticket oder ähnliches bekamen und wie man überhaupt beweisen soll, dass man bezahlt hat… Wie ich dann jedoch ein paar Wochen später in Australien herausfinden durfte, können die Kontrolleure das easy auslesen. Eigentlich peinlich, wenn man bedenkt, dass wir aus einer der größten Industrienationen der Welt kommen oder geht das nur mir so? Anyway… der Bus brachte uns dann direkt in die Stadt und wir mussten noch einen kleinen Spaziergang zur Unterkunft hinter uns bringen. Dort wurden wir dann direkt mit einem Chacha (Schnaps aus der Plastikflasche) begrüßt und haben uns gleich wie zu Hause gefühlt 🙂 Ansonsten wollten wir den Tag natürlich früh starten, die Stadt erkunden und was zum Frühstück ergattern. Speziell Letzteres stellte sich deutlich schwieriger heraus als erwartet. Wenn die Georgier eines anscheinend nicht mögen, dann vor 10 Uhr aufzustehen… Als wir dann endlich einen guten Kaffee und etwas zum Essen gefunden hatten, war der Punkt „Stadterkundung“ zum Teil ebenfalls bereits abgearbeitet. Wobei Tbilisi echt so viel zu bieten hat, dass wir uns gar nicht lang ausruhen wollten. Die Stadt ist wunderschön grün und hat unzählige Gebäude, die ich so spontan als „alt-ehrwürdig“ bezeichnen würde. Wir haben uns neben den ganzen Sehenswürdigkeiten auch eine Fahrt mit der Seilbahn (1 GEL ~ 0,35 €) gegönnt und so einen sehr guten Überblick über Tbilisi erhalten. Außerdem wollten die Mädels unbedingt ins Fabrika, was ein sehr schönes Kulturzentrum mit zahlreichen Bars ist. Während die anderen sehr leckeres Essen und ein paar Bier genossen haben, konnte ich in der Zeit meine eSim sehr gut nutzen, um das WM Halbfinale im Basketball (Deutschland – USA) zu verfolgen. Ich weiß… vielleicht nicht der sozialste Move, aber wann kann man schon ein so spannendes Spiel ansehen in welchem Deutschland dann sogar als Sieger vom Platz gegangen ist!? Nach dem überragenden Erfolg der deutschen Basketballer, haben wir den Abend dann noch in einem überragenden Restaurant abgeschlossen. Ein Ausschnitt meiner Rezension auf Google Maps zum Kneina: „Usually I would try out as many restaurants as possible while on vacation, but I am seriously considering just going back here every night“. Georgisches Essen ist einfach grandios, wie wir den Rest des Urlaubs noch öfters feststellen durften (ich sag nur „Dessert Laden“)!
Nach dem Motto „wer rastet, der rostet“ ging ist für uns am zweiten Tag direkt weiter nach Stepantsminda, von wo aus wir unsere Wandertouren in den Kaukasus starten wollten. Für die Fahrt hatte uns Ina über die App „GoTrip“ einen Fahrer gemietet, der uns nicht nur am Hotel abgeholt hat, sondern gleich noch ein paar Attraktionen am Wegesrand angefahren ist. Bin mir gar nicht mehr 100%ig sicher wie viel die Fahrt gekostet hat, aber ein Fahrer für den ganzen Tag kam rund 40€. Auf dem Weg selbst gab es für uns dann mehrere interessante Stopps. Ganz in der Nähe von Tbilisi das Jvari Monastery und die Svetitskhoveli Cathedral in Mtskheta, wo gefühlt halb Georgien zum Heiraten hinfährt. So viele Brautpaare auf einen Haufen habe ich echt noch nie gesehen. Auf dem angrenzenden Basar gab es vor der Abfahrt noch ein Churchkhela (Georgische Süßigkeit) zur Stärkung – nicht mein Fall, aber muss ja nicht alles hervorragend schmecken. Danach ging es direkt weiter zum Zhinvali Reservoir, bevor wir irgendwann viel später an unserem Zielort ankamen und sehr froh waren, uns endlich im Hotel ausruhen zu können. So günstig die Fahrt war, so schlecht war in dem Fall leider auch der Komfort… Am Fahrwerk kann es aber nicht gelegen haben, da war nämlich keins mehr vorhanden^^
Weiß gar nicht, wie ausführlich ich über die nächsten Tage schreiben soll. Die Bilder sagen wahrscheinlich mehr als 1000 Worte. Insgesamt haben wir uns auf drei Wanderungen begeben und durften dabei atemberaubende Kulissen und Landschaften bestaunen. War zum Teil sehr anstrengend, aber hat sich mehr als gelohnt. Wen die Routen im Detail interessieren, kann sich das gern bei Strava ansehen.
Vielleicht als kurzer Abriss: Am ersten Tag ging es in Richtung des Kasbek, der mit 5.054m schon einen beeindruckenden Anblick bietet. Die Mädels sind sogar bis zur letzten Hütte vor dem finalen Aufstieg gewandert, aber Philipp und ich sind schon ein Stück eher umgedreht (vor allem, weil ich noch das WM Basketball Finale gegen Serbien schauen wollte – Achtung Spoiler: Deutschland hat gewonnen 🥳). Auf der Wanderung haben wir Alexander aus Russland kennengelernt, der seit einigen Jahren in Georgien wohnt, und mit dem wir nach dem Abstieg noch eine Stärkung in einem „Café“ zu uns genommen haben (Anführungsstriche, da es sich eigentlich nur um eine kleine Steinhütte gehandelt hat – das Essen war dennoch wie gewohnt lecker). Alexander hat uns ein paar Geschichten aus der Heimat und seiner Vergangenheit erzählt. Prinzipiell würde er gern wieder zurück nach Russland, aber nicht so lange Putin an der Macht ist… verständlich… Und krass, wenn man bedenkt, dass wir in Stepantsminda nur rund ~12km von der russischen Grenze entfernt waren. Hat sich ein bisschen so angefühlt, als wenn man von Minas Tirith nach Mordor schaut…
Am zweiten Tag ging es auf den Juta-Chaukhi Trail in die „Georgischen Dolomiten“. War eine sehr lange und gegen Ende auch sehr anstrengende Wanderung, aber ich habe (fast) jeden Meter davon genossen. Gelegentlich haben wir die ein oder anderen Wanderer getroffen, die teilweise sogar auf Mehrtages-Wanderungen unterwegs waren. Darauf ließen zumindest das Gepäck und die aufgebauten Zelte schließen^^ Auf dem Gipfel wurden wir mal wieder mit einem wunderbaren Ausblick belohnt, da sich kurz vor unser Ankunft glücklicherweise der Nebel / die Wolken verzogen haben. Auf dem Rückweg gab es noch die Überlegung einen Sprung in den vier Grad kalten Bergsee zu wagen, aber wir haben uns dann doch lieber für ein ausgiebiges Essen in Juta entschieden.
Am dritten Tag hat Philipp eine Pause eingelegt und Ina, Corinna und ich haben uns eine vergleichsweise leichte Wanderung ausgesucht, die aber nicht minder beeindruckend war. Einerseits hat sie uns fast direkt an die Grenze zu Südossetien geführt, welches eigentlich zu Georgien gehört, aber sich mit Hilfe russischer Truppen mehr oder weniger selbstständig gemacht hat. Andererseits haben wir in einem kleinen Restaurant am Weg die besten Tomaten aller Zeiten gegessen. Keine Ahnung, wie Tomaten einfach nur so gut schmecken können 😍 War insgesamt ebenfalls eine sehr schöne Wanderung und ein perfekter Abschluss für den „Wander-Teil“ unser Georgien Reise!
Nach wunderschöner Natur, beeindruckenden Ausblicken und nachhaltigem Muskelkater in den Beinen ging es dann nach vier Tagen Stepantsminda am 13.09.2023 zum etwas entspannteren Teil der Reise über. Ein weiterer netter Fahrer von GoTrip, den wir später sogar wieder treffen sollten, brachte uns nach Telawi, wo wir uns etwas näher mit den lokalen Weinspezialitäten beschäftigen wollten. Georgien gehört nämlich nebenbei zu einem der ältesten Weinanbau-Gebiete weltweit. Die Geschichte des Weins am Fuße des Kaukasus reicht 8.000 Jahre zurück und hat in dieser Zeit definitiv ein paar geschmackliche Perlen hervorgebracht, wie wir in einigen Verkostungs-Expeditionen herausfinden durften. Direkt nach unser Ankunft ging es dann gleich zu unserem ersten Ziel: Die Simoni Selenki Winzerei. Waren uns zu Beginn echt nicht sicher, ob wir richtig sind, aber da uns die Bewertungen auf Google Maps und der aufkommende Regen eigentlich keine Wahl ließen, sind wir kurzerhand einfach auf das kleine Gehöft und wurden direkt von einer netten älteren Dame beim Kartoffeln putzen empfangen. Drei Stunden, unzählige gute Weinsorten und spannende Geschichten später, haben wir uns dann gut beschwipst von Simoni verabschiedet und den Heimweg angetreten. Leider gibt es seinen Wein (noch) nicht in Deutschland zu kaufen, aber war haben viel über die Vergangenheit von Georgien und über die traditionelle Qvevri Methode der Weinherstellung gelernt. Aber der Tag war damit noch nicht vorbei! Ein weiteres Highlight gab es zusätzlich beim Abendessen im Restaurant… und damit meine ich nicht den Kellner, der uns bei jeder Bestellung das Gefühl gab, als ob wir die schlechtes mögliche Option gewählt hätte 😅 Ina hatte während der Vorspeise am Nachbartisch jemanden erspäht, der Christoph Maria Herbst relativ ähnlich sah… und wie sich am Ende dann heraus stellte, haben wir tatsächlich (indirekt) mitten in Georgien, tausende Kilometer von Deutschland entfernt, mit dem netten Herr Stromberg diniert. Schon lustig wie klein die Welt manchmal ist^^
Am zweiten Tag in Telawi (Tag 7 unserer Reise) hatten wir natürlich vom leckeren Wein noch nicht genug und wollten weitere Winzereien erkunden. Dabei gab es in und um Telawi zusätzlich einige Sehenswürdigkeiten zu bestauen. Neben einem Geheimgang in einem Kloster dessen Namen ich vergessen habe, einem winzig kleinem (not) Anstieg zum Kloster Negresi und dem wunderschönen Örtchen Sighnaghi ist uns definitiv nicht langweilig geworden. Zusammenfassend muss ich auf jeden Fall noch erwähnen, dass die kleinen, privaten Winzer um Meilen besser sind, als die „Großbetriebe“. Bei Letzterem wurden wir mehr oder weniger nur durchgeschleust, während wir uns beim „Vakho Oqruahvili Wine Cellar“ gefühlt haben, als ob wir bei Freunden zu Gast waren. Neben dem köstlichen Wein und Käse, durften wir die Feigen und Trauben im Garten genießen und haben uns einfach nur rund um wohl gefühlt! 10 outta 10 would recommend. Zum Abschluss haben wir bei einem weiteren der zahlreichen Klöster sogar nochmal Christoph Maria Herbst getroffen und waren uns zu dem Zeitpunkt nicht sicher, ob wir ihn oder er uns verfolgt 🤔 Bevor es weitergeht noch ganz schnell, eine Restaurant-Empfehlung in Sighnaghi, falls es euch mal in die Gegend verschlagen sollte: Castle Fortress Restaurant! Perfekte Aussicht und – ihr werdet es schon erraten haben – sehr leckerer Wein.
Nach diesen kulinarischen Highlights ging es dann am 15.09.2023 wieder zurück nach Tbilisi. Von dem Tag ist habe ich gar nicht mehr so viel in Erinnerung, aber was ich definitiv nicht vergessen werde, ist die Taxi-Fahrt mit dem Local Driver, den wir auf dem Marktplatz gefunden haben. Vermutlich ist er die bergige Strecke schon 100.000x gefahren und ich hab mich zwei Stunden lang wie auf einer Rennstrecke gefühlt. Da brauchte man schon einen stabilen Magen ;D
Für die letzten Tage hatten wir uns dann nochmal ein tolles AirBnb im Herzen von Tbilisi gegönnt, von wo aus wir die Stadt erkunden konnte. Wobei… So viel Stadt-Erkundung stand gar nicht auf dem Programm, da am vorletzten Tag unserer Reise, eine Expedition in die Region um Kutaisi auf dem Plan stand. Dafür hatten wir noch einmal unseren Fahrer Gocha, der uns bereits sicher von Stepantsminda nach Telawi gebracht hatte, gebucht. Los ging es in aller Herrgottsfrüh, da doch einige Kilometer zurück gelegt werden mussten. War an sich aber nicht zu schlimm, da allein die Fahrt schon ziemlich beeindruckend war. Aktuell wird auf (oder besser gesagt über) der Strecke von Tbilisi nach Kutaisi ein riesen Highway gebaut, der als Teil der neuen Seidenstraße von den Chinesen finanziert wird. Schon krass (und auch ein bisschen beängstigend) was da hochgezogen wird. Der Großteil des Weges kam mir einfach nur wie eine riesige Baustelle vor. Als es dann geschafft war, standen die folgenden Punkte auf unserer Touri-Liste:
- Ehemalige sowjetische Erholungsgegend um Tskaltubo, die nach dem Fall der UDSSR zu „Lost Places“ verfallen sind
- Tour durch die sehr schön beleuchtete Prometheus Cave
- Der Ostaki Canyon, wo die Fahrt mit dem Jeep hin mindestens genauso spannend war wie der Gittersteg, der durch den Canyon führt
- Und zum Abschluss des Tages noch der Okatse (Kinchkha) Wasserfall
Obwohl alles echt sehenswert war, war direkt unser erster Stopp bei den Ruinen des Kurortes mein unangefochtenes Highlight. Dort hätte ich mich noch Stunden aufhalten und Fotos machen können. Ich hoffe man bekommt weiter unten bei den Bildern einen kleinen Eindruck, wie cool es war!
Nachdem wir dann Mitten in der Nacht von Gotcha in Tbilisi abgesetzt wurden, konnten wir auf einen echt tollen Tag und insgesamt auf einen wunderschönen Urlaub zurück blicken! Die letzten 24 Stunden in Georgien haben wir dann für entspannte Kleinigkeiten (Museen, Digital Space, Restaurants, etc.) in Tbilisi genutzt und sogar nochmal Alexander (von der ersten Wanderung) im RadioCafe getroffen. Der Abend war dann echt kurz, weil es am 18.09.2023 schon um 3:00 Uhr früh mit dem Taxi zum Flughafen ging. Ich hatte es zusätzlich auch so „clever“ geplant, dass ich am gleichen Tag noch in die Arbeit durfte (man will die Zeit ja so gut wie möglich ausnutzen 😊).
War echt eine geniale Zeit und ich bin so froh, dass uns Ina auf die Idee gebracht hat! Allein wäre ich wahrscheinlich nie drauf gekommen. Will auf jeden Fall irgendwann mal wieder in die Gegend oder vielleicht sogar noch ein bisschen weiter in den Osten. Tajikistan, Uzbekistan und Turkmenistan sollen ebenfalls sehr sehenswert sein 🙂
Da bekommt man richtig Lust, auch nach Georgien zu reisen und merkt, dass ihr eine Menge Spaß hattet! 🙂